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Thriller
Michael Crichton:


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von M-Crichton



Beute und Gejagte
Michael Crichton - Beute

enn der amerikanische Erfolgsautor Michael Crichton einen neuen Roman veröffentlicht, dann wissen die Leser, dass sie sich auf exzellente Unterhaltung freuen dürfen. Doch das Wichtigste dabei: Crichton beschränkt sich nie auf eine spannende Geschichte allein, sein Plot verarbeitet immer auch eine aktuelle Problematik. In "Enthüllung" ging es beispielsweise um sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz, "Jurassic Park" nutzte den Boom der Dinos in der Öffentlichkeit und widmete sich den Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnik.

In seinem neuen Buch "Beute" übertrifft sich Crichton tatsächlich selbst. Er verwendet neueste Erkenntnisse in der Computer-Programmierung, der Evolutionstheorie, mischt sie mit Möglichkeiten in der Gentechnik und Biotechnologie und fabriziert so einen Roman der Spitzenklasse. Nicht umsonst wird er der Meister des Techno-Thrillers genannt.

Denn wie kaum ein anderer Autor kann Michael Crichton komplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge sehr anschaulich und klar beschreiben, so dass sich ein Laie auf diesen Gebieten nach der Lektüre des Buches eine sehr exakte Vorstellung von den komplexen Sachverhalten bilden kann und nicht nur einen hervorragend geschriebenen Krimi gelesen hat, sondern noch eine ganze Menge über den aktuellen Stand der Biotechnologie weiß.

Genug des Lobes. Worum geht es eigentlich bei der Geschichte? Jack und Julia sind ein glückliches und wohl situiertes Ehepaar in San Francisco. Sie arbeiten beide bei Computerfirmen im Bereich der Biotechnologie im Silicon Valley. Jack ist seit einigen Monaten arbeitslos und als seine alte Firma ihn bittet, als Berater bei einem schweren Programmierfehler zu fungieren, kann er nicht nein sagen. Er soll sich in Julias Firma Xymos, die eine Produktionsstätte in der Wüste von Nevada betreibt, um die richtige Steuerung von künstlich hergestellten Molekülen kümmern.

Für die Öffentlichkeit präsentiert Xymos eine medizinische Novität: Tausende von Mikrokameras ordnen sich in den Blutbahnen eines menschlichen Körpers zu einer Art Auge an und können auf diese Weise ohne großen technischen Aufwand Bilder der Gefäße, aus dem Herzen oder der Lunge auf Monitore übertragen. Ein großer Schritt in der Medizin, da die Methode relativ kostengünstig und für den Patienten völlig schmerzfrei und ungefährlich ist. In Wahrheit geht es jedoch um einen Auftrag für das Pentagon und die Organismen, die sich eigentlich selbst steuern sollten, sind aus dem Forschungslabor entkommen und treiben ein selbständiges, nicht sehr friedliches Dasein in der Wüste Nevadas. Die Schwärme, eine Ansammlung von Mikrorobotern, sind lernfähig und es dauert nicht lange, bis sie sich eine Beute auserkoren haben, die sie gnadenlos verfolgen und töten: Menschen.
Genau diese Opfer benutzen die Schwärme dann als Parasiten: Neue Krankheiten entstehen, unbekannte körperliche Reaktionen treten auf. Das Grauen erregende Szenario einer Bakterienpest nimmt seinen Lauf.

Michael Crichtons Stärke liegt darin, dass er neben diesen fundierten wissenschaftlichen Tatsachen, die er mit einer mehrseitigen Bibliographie untermauert (mit weiteren Buchempfehlungen für interessierte Leser), aktuelle gesellschaftliche Strömungen wirklich treffend einfängt. Die hektische Stimmung in Silicon Valley, der unglaubliche Zeitdruck in den Firmen, die abrupte Arbeitslosigkeit eines hochspezialisierten Experten, in einer Zeit, in der Firmen so schnell sterben, wie sie vor etlichen Jahren enthusiastisch gegründet wurden.

"Beute" ist ein Buch, das in einem Zug gelesen wird, atemlos, kopfschüttelnd und dabei eine lange Nachwirkzeit hat. Versprochen.
manuela haselberger


Michael Crichton - Beute
Originaltitel: »Prey«, © 2002
Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

© 2002, München, Blessing Verlag, 448 S., 24 € (HC)





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EINFÜHRUNG:

Künstliche Evolution im 21. Jahrhundert

Die Vorstellung von der fortwährenden Entwicklung der Welt ist ein Gemeinplatz, und nur selten machen wir uns seine volle Tragweite bewusst. Für gewöhnlich denken wir dabei zum Bei­spiel nicht an eine epidemische Krankheit, die ihren Charakter verändert, während sich die Epidemie ausbreitet. Ebenso wenig stellen wir uns vor, dass sich Evolution an Pflanzen und Tie­ren binnen Tagen oder Wochen vollzieht, aber dem ist so. Und normalerweise betrachten wir die grüne Welt um uns herum nicht als den Schauplatz eines immer währenden Krieges mit hochkomplizierten chemischen Waffen, wo Pflanzen Pestizide produzieren, wenn sie von Insekten angegriffen werden, die ihrerseits Widerstandsformen entwickeln. Aber genau das ist der Fall.

Wenn wir die wahre Natur der Natur erfassen, die wahre Be­deutung von Evolution begreifen könnten, dann würden wir uns eine Welt vorstellen, auf der sich jede Pflanzen-, Insekten- und Tierart von Augenblick zu Augenblick verändert, weil sie auf alle anderen Pflanzen-, Insekten- und Tierarten reagiert. Ganze Po­pulationen von Organismen entstehen und vergehen, bewegen und verändern sich. Dieser rastlose und unaufhörliche Wandel, so unerbittlich und unaufhaltsam wie Meereswellen und Ge­zeiten, impliziert eine Welt, in der alles menschliche Handeln zwangsläufig unberechenbare Folgen hat, Jenes Gesamtsystem, das wir Biosphäre nennen, ist derart kompliziert, dass wir im Vor­aus nicht wissen können, welche Auswirkungen unser Tun haben wird, niemals Veränderungen auch nur ansatzweise voraussagen werden können.1)

 

1) Diese Ungewissheit ist typisch für alle komplexen Systeme, einschließlich der vom Menschen geschaffenen. Nachdem an einem einzigen Tag im Oktober 1987 die Aktienkurse an der US-Börse um 22 Prozent abstürzten, wurden neue Regeln aufgestellt, um einen derartigen Kollaps in Zukunft zu verhin­dern. Doch es war nicht vorauszusagen, ob dadurch mehr Stabilität garan­tiert oder alles noch verschlimmert würde. Nach Einschätzung von John L. Casti waren die neuen Regeln lediglich ein vom Börsenvorstand akzeptier­tes, kalkuliertes Risiko. Siehe Castis äußerst lesenswertes Werk WouId-be Worlds. New York: Wiley, 1997,S. 80ff.

 

Deshalb haben in der Vergangenheit selbst unsere bestge­meinten Bemühungen unerwünschte Folgen gehabt; entweder weil wir zu naiv waren oder weil diese sich kontinuierlich wan­delnde Welt unberechenbare Reaktionen auf unser Handeln zeigte. So gesehen, ist die Geschichte des Umweltschutzes ebenso entmutigend wie die Geschichte der Umweltverschmutzung. Wer zum Beispiel behauptet, das industrielle Abholzen der Wälder sei schädlicher als ökologische Schutzmaßnahmen gegen Waldbrände, der übersieht die Tatsache, dass beides mit großer Überzeugung betrieben wurde und beides den Urwald unwiderruflich verän­dert hat. Beides liefert gleichermaßen umfassende Beweise ffir den sturen Egoismus, der die Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt prägt.

 

Die Tatsache, dass die Biosphäre unvorhersehbar auf unser Tun reagiert, ist kein Argument für Untätigkeit. Sie ist hingegen ein gewichtiges Argument für ein behutsames Vorgehen und für eine skeptische Haltung gegenüber dem, was wir glauben, und dem, was wir tun. Leider hat unsere Spezies in der Vergangenheit diese Behutsamkeit schmerzlich vermissen lassen. Und es ist kaum vor­stellbar, dass sich daran in Zukunft etwas ändern wird.

 

Wir glauben zu wissen, was wir tun. Das haben wir schon immer geglaubt. Wir wollen einfach nicht einsehen, dass wir uns in der Vergangenheit geirrt haben und demnach auch in Zukunft irren können. Stattdessen schiebt jede Generation frühere Fehler auf die Unvernunft nicht ganz so kluger Köpfe - und begeht dann erhobenen Hauptes neue Fehler.

Wir sind eine von nur drei Spezies auf unserem Planeten, die von sich behaupten können, dass sie sich ihrer selbst bewusst sind 2), doch vielleicht wäre Selbsttäuschung für uns Menschen ein be­zeichnenderes Charakteristikum.

 

2) Menschen, Schimpansen und Orang-Utans sind die einzigen Lebewesen, bei denen überzeugend nachgewiesen wurde, dass sie sich ihrer selbst bewusst sind. Entgegen dem landläufigen Glauben ist dies für andere Tiere, wie bei­spielsweise Delfine oder andere Affenarten, nicht eindeutig belegt.

 

Irgendwann im einundzwanzigsten Jahrhundert wird unser von Selbsttäuschung bestimmter Leichtsinn mit unserer wachsenden technologischen Macht kollidieren. Zu dieser Kollision wird es si­cherlich an der Nahtstelle zwischen Nanotechnologie, Biotech­nologie und Computertechnologie kommen. Alle drei Bereiche vermögen, sich selbst reproduzierende Einheiten in die Umwelt zu entlassen.

Mit der ersten dieser sich selbst reproduzierenden Einheiten leben wir schon seit einigen Jahren: Computerviren. Und auch mit den Problemen der Biotechnologie machen wir allmählich immer mehr praktische Erfahrungen. Dass, wie kürzlich bekannt wurde, Gene aus gentechnisch verändertem Mais in gentechnisch nicht verändertem Mais in Mexiko aufgetaucht sind - trotz ge­setzlicher Verbote und trotz der Versuche, es zu verhindern -, ist bloß der Anfang eines sicherlich langen und beschwerlichen We­ges, diese Technologie unter Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig sind die alten Überzeugungen, Biotechnologie sei grundsätzlich ungefährlich - Überzeugungen, die seit den Siebzigerjahren von der großen Mehrheit der Biologen verbreitet wurden -, ins Wan­ken geraten. Seit australische Wissenschaftler im Jahre 2001 un­absichtlich ein ungeheuer tödliches Virus entwickelten, nehmen viele Menschen die alten Denkmuster noch einmal kritisch unter die Lupe.3) Zukünftig werden wir mit dieser Technologie sicher­lich nicht mehr so unbeschwert umgehen wie in der Vergangen­heit.

 

Die Nanotechnologie ist die neueste dieser drei Technologien, und in mancher Hinsicht ist sie auch die radikalste. Ihr Ziel ist es, unvorstellbar kleine Maschinen zu bauen, in der Größenord­nung von einhundert Nanometern, also einem hundertmilliards­tel Meter. Solche Maschinen wären etwa tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Menschenhaars. Experten prophezeien, dass uns diese winzigen Maschinen alles liefern werden, von Mi­niaturcomputerelementen über Krebstherapien bis hin zu neuen Kriegswaffen.

Als Idee geht die Nanotechnologie auf einen Vortrag zurück, den Richard Feynman 1959 unter dem Titel „There's Plenty of Room at the Bottom“ hielt. Vierzig Jahre später steckt dieser Forschungsbereich trotz anhaltenden Medieninteresses noch immer größtenteils in den Kinderschuhen. Doch inzwischen wer­den praktische Fortschritte erzielt und deutlich mehr Gelder inves­tiert. Großkonzerne wie IBM, Fujitsu und Intel stecken immense Summen in die Forschung. In den vergangenen zwei Jahren ließ die US-Regierung eine Milliarde Dollar in die Nanotechnologie fließen.

Unterdessen werden mit Nanotechniken bereits Sonnenschutz­mittel, Flecken abweisende Stoffe und Verbundinaterialien für Autos hergestellt. Nicht mehr lange, und die Nanotechnologie er­möglicht den Bau von winzigen Computern und Speicherchips.

 

 

Und einige der lang erwarteten »Wunderprodukte« sind auch schon auf dem Markt: Im Jahre 2002 stellte ein Unternehmen selbstreinigende Fensterscheiben her; eine andere Firma produ­zierte einen Wundverband aus Nanokristallen mit antibiotischen und entzündungshemmenden Eigenschaften.

Zurzeit ist die Nanotechnologie hauptsächlich eine Materialtechnologie, doch ihre Möglichkeiten reichen weit darüber hin­aus Schon seit Jahrzehnten werden Spekulationen über Maschi­nen angestellt, die sich selbst reproduzieren können. Im Jahre 1980 wurden in einer NASA-Studie mehrere Methoden erörtert, mit denen sich solche Maschinen herstellen ließen. Und vor zehn Jah­ren beschäftigten sich zwei renommierte Wissenschaftler ernsthaft mit der Materie:

 

»Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden fünfzig bis hundert Jahren eine neue Kategorie von Organismen entste­hen wird. Diese Organismen werden insofern künstlich sein, als sie ursprünglich von Menschen entworfen wurden. Sie werden sich jedoch vermehren und ihre ursprüngliche Form >evolutio­när< verändern; sie werden entsprechend jeder vernünftigen Definition des Wortes »lebendig« sein …. Das Tempo des evo­lutionären Wandels wird extrem hoch sein …. Die Auswir­kungen für die Menschheit und die Biosphäre könnten unge­heuer sein, größer als die der industriellen Revolution, der Atomwaffen oder der Umweltverschmutzung. Wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Entstehung künstlicher Organismen zu steuern.«

 

Auch der größte Verfechter der Nanotechnologie, K. Eric Drex­ler, äußerte sich ähnlich besorgt:

 

»Viele Menschen, mich eingeschlossen, haben ein ungutes Ge­fühl, wenn sie an die Folgen dieser Technologie für die Zukunft denken. Das Ausmaß der möglichen Veränderungen ist gewal­tig, und es besteht die große Gefahr, dass die Gesellschaft ohne ausreichende Vorbereitung nur sehr schlecht damit umgehen wird.«6)

 

Selbst gemäß den optimistischsten (oder unheilvollsten) Progno­sen wird es solche Organismen erst in Jahrzehnten geben. Wir können nur hoffen, dass wir bis dahin auf internationaler Ebene Kontrollinstanzen flir sich selbst reproduzierende Technologien eingesetzt haben. Entscheidend ist, dass die Gesetzesübertritte streng geahndet werden. Wer Computerviren erzeugt, wird schon heute mit einer Härte strafrechtlich verfolgt, wie es noch vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen wäre, und Hacker landen hin­ter Schloss und Riegel. Auf Abwege geratene Biotechnologen werden ihnen bald Gesellschaft leisten.

Aber natürlich ist nicht auszuschließen, dass wir die Einrich­tung solcher Kontrollen versäumen. Oder dass jemand sehr viel früher als erwartet künstliche, sich selbst reproduzierende Orga­nismen erzeugt. Tritt das ein, wären die Folgen unabsehbar. Und davon handelt der vorliegende Roman.

 

Michael Crichton Los Angeles 2002

 

 

6) Drexier, K. Eric: »lntroduction to Nanotechnology«, in: Krummenacker Mar­kus, und James Lewis (Hrsg.): Prospects in Nanotechnology:Toward MoIecular Manufactoring. Proceedings of the First General Conference on Nanotechnology:

Development, Applications and Opportunities. New York: Wiley, 1995,S.21.

<small><I>S. 7-12</I></small>

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